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Dramatischer Bewegungseinbruch bei Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche bewegen sich in der Corona-Pandemie weniger und verbringen deutlich mehr Zeit vor Bildschirmen. Die Ergebnisse einer Studie des Universitätsklinikums Münster sind alarmierend.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie verharrt der organisierte Freizeit- und der Vereinssport seit November - wie im Frühjahr - bewegungslos im Lockdown.
Der Deutsche Olympische Sportbund sieht "die Gefahr von massiven und teilweise irreparablen Schäden an unserem Sportsystem".

Der Sport-Lockdown hat aber auch Konsequenzen für die Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche. Eine Studie am Universitätsklinikum Münster hat ergeben, dass Sport und Bewegung bei Heranwachsenden im Regierungsbezirk Münster dramatisch eingebrochen sind. Oberarzt und Studienleiter Manuel Föcker und der Sportwissenschaftler Matthias Marckhoff erläutern im Interview die Ergebnisse ihrer Studie.

Was sind die wesentlichen Erkenntnisse Ihrer Studie?
Matthias Marckhoff: Wir haben festgestellt, dass die körperliche Aktivität bei den befragten Jugendlichen in der Zeit der Kontaktbeschränkungen im April dieses Jahres signifikant abgenommen hat. Die Gruppe derjenigen Kinder, die sich in dieser Zeit fast gar nicht mehr bewegt haben, hat sich auf zirka 25 Prozent verfünffacht.

Parallel hat der Medienkonsum signifikant zugenommen. Etwa 45 Prozent der Jugendlichen hatten im Untersuchungszeitraum eine tägliche Bildschirmzeit - darunter fallen TV, Konsole, Computer, Smartphone - von mehr als acht Stunden. Vor der Pandemie galt dies für etwa 20 Prozent der Jugendlichen.

Manuel Föcker: Rund ein Drittel der Jugendlichen gab an, sich in Zeiten der Pandemie mehr Sorgen zu machen und weniger zufrieden mit dem Leben zu sein. Zusätzlich konnten wir zeigen, dass mit der Verschlechterung des Befindens wiederum eine Abnahme der Bewegung einherging.”

Welche Folgen kann Bewegungsmangel haben?
Föcker: Bewegungsmangel kann sich sowohl auf die körperliche als auch auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen auswirken. Auf physischer Ebene ist Bewegungsmangel ein Risikofaktor für Erkrankungen im Zusammenhang mit dem sogenannten metabolischen Syndrom: vor allem Übergewicht, Störungen im Fettstoffwechsel, Bluthochdruck, erhöhter Blutzuckerspiegel, Veränderungen innerhalb der Blutgefäße. Darüber hinaus kann es zu einem Abbau von Muskulatur und in der Folge zu Schäden am Knochen- und Gelenkapparat kommen. Auch die Knochendichte kann abnehmen.

Auf psychischer Ebene können die Folgen ebenfalls vielschichtig sein. So kann es zu Veränderungen im Hormonhaushalt kommen, die sich negativ auf die Stimmungslage auswirken und auch zur Entstehung einer Depression beitragen können. Aus psychologischer Perspektive kann ein drastischer Rückgang in der körperlichen Aktivität zu einer Verringerung des Selbstwertgefühls führen. Doch gerade auch soziale Aspekte, die oftmals eng mit dem Sporttreiben - zum Beispiel im Verein - verknüpft sind, wirken sich auf die psychische Gesundheit aus. Fallen soziale Kontakte dieser Art weg, kann sich dies negativ auf das psychische Wohlbefinden auswirken.

Wie schätzen Sie die Bedeutung des schulischen und außerschulischen Sports für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ein?
Marckhoff: Es ist mittlerweile gut belegt, dass körperliche Aktivität ein wichtiger Schutzfaktor für die gesunde Entwicklung von Heranwachsenden ist. Wenn etwa in einer sensiblen Phase wie der Pubertät plötzlich der Rückhalt oder die Anerkennung durch die Peergroup im Sport verloren geht, so hat dies Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung.

Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass sowohl der Sportunterricht als auch der Vereinssport einen ganz wichtigen Beitrag zur Entwicklungsförderung leisten. Hier geht es um Aspekte der körperlichen und psychischen Gesundheit, insbesondere aber auch um Dinge wie den Umgang mit Sieg und Niederlage, das Pflegen von Freundschaften, das Beilegen von Konflikten, die Kontrolle von Impulsen.

Können individuelle Sportangebote - sei es nun an der frischen Luft oder zu Hause - diese Lücke schließen?
Marckhoff: Individualsport kann einen ganz wichtigen Beitrag dazu leisten, Phasen der Kontaktbeschränkungen physisch und psychisch gesund zu überstehen. In der Regel ist auch ein Sporttreiben gemeinsam mit einem Freund oder einer Freundin trotz Kontaktbeschränkungen möglich. Sport kann auch über virtuelle Angebote, eine soziale Komponente haben. Man denke an die Sportlehrer und Vereinstrainer, die sich mit ihren Klassen und Teams in virtuellen Räumen zum Sporttreiben treffen. Selbst Wettkämpfe, etwa auf Trainingsrollen im Radsport, werden mittlerweile online ausgetragen.


Sport allein, mit der Familie, mit einer Freundin, oder im virtuellen Raum kann die sozialen Aspekte des Sports unter "normalen" Bedingungen zwar nicht ersetzen, aber dennoch einen wichtigen Beitrag dazu leisten, gesund durch die Krise zu kommen.

Ist die Einschränkung von Bewegungsangeboten auf Dauer medizinisch kritisch? Können bleibende Schäden ab einem gewissen Punkt nicht mehr ausgeschlossen werden?
Föcker: Fehlende Bewegungsangebote erhöhen sicherlich das Risiko für das Auftreten von Bewegungsmangel und damit auch für die gesundheitlichen Folgen dieses Mangels. Ob sich daraus jedoch bleibende gesundheitliche Schäden entwickeln, dürfte weniger mit der Dauer der Einschränkungen als vielmehr damit zusammenhängen, was jedes einzelne Kind den Belastungen der Krise an persönlichen Ressourcen entgegenzusetzen hat.

Dieser Frage wird man in den kommenden Jahren vor allem auch in Längsschnittuntersuchungen nachgehen müssen, in denen man Kinder und Jugendliche über mehrere Jahre hinweg immer wieder erneut untersucht und zu ihrem Bewegungsverhalten befragt.

QUELLE: Sportschau.de